Pfinztaler Orgelherbst 2022

Im Jahr 2022 fanden Veranstaltungen rund um die Orgeln der Pfinztaler Kirchen statt. Im Heimatblatt wurden alle sieben Pfeifenorgeln Pfinztals vorgestellt und ihre Besonderheiten erläutert. Jede Orgel ist für sich ein Unikat. Sie sind nicht nur als Kirchenmusikinstrumente von Bedeutung, sondern sie stellen zweifellos auch ein wichtiges Kulturgut dar. Über die „Königin der Instrumente“, wie die Orgel auch genannt wird, möchte man aber nicht nur etwas lesen, sondern man will sie vor allem auch hören. Deshalb wurden sie an sieben Sonntagen im Oktober und November 2022 von den Organisten der Kirchengemeinden in Pfinztal zum Klingen gebracht. Nach einer kurzen Orgelvorstellung fand dann jeweils ein kleines Konzert statt. Dabei hatte jede Veranstaltung einen anderen Charakter, sodass die Besonderheiten der verschiedenen Orgeln zu erkennen waren.

Die Zeitgeschichte der Orgeln in der Michaelskirche

1623 - Erster Hinweis zu einer Orgel in der Söllinger Michaelskirche ( Meerwein, „Unser Söllingen. Heimatgeschichte aus dem Pfinztal“, 1930).

1717 - Einweihung einer Orgel, welche von 1699 an schon in Grötzingen im Einsatz war (vergl. Meerwein, s.o.)

1790 - Neubau einer Orgel wird bei Orgelbauer Stein, Durlach, in Auftrag gegeben und 1792 fertiggestellt. Einzigartig im Stein´schen Schaffen ist die besondere Form des erhalten gebliebenen Orgelgehäuses; die Ausführung mit dem abgesenkten Mittelturm des Gehäuses war wohl wegen der schon damals niedrigen Deckenhöhe auf der Mittelempore notwendig. Stein baute in jener Zeit mehrere Orgeln gleicherGröße und mit fast identischer Disposition.

1817 - Das Großherzoglich Badische Bezirksamt in Durlach schrieb, „…dass die Orgel in Ihrer Kirche in äußerst schlechten Zustand sich befindet. Sie bedarf nicht allein vollkommener Säuberung und neuer Stimmung, sondern auch der Herstellung eines auseinander gesprungenen Blasebalgs.“

1843 - Es wurde beschlossen, „ der hiesigen Orgel einen Ölanstrich geben zu lassen.“

1872 - Die Orgelbaufirma Voith aus Durlach entfernte das Register Trompetbass 8´ und tauschte auch einige andere Register aus. Der Tremulant wurde stillgelegt.

1907 - In einem Sitzungsprotokoll des Kirchengemeinderates befindet sich der Hinweis, dass in einigen Jahren wohl der Bau einer neuen Orgel notwendig sei.

1914 - Orgelbaukommisär Barner schreibt in seinem Bereisungsbericht der „Diözese“ Durlach: „In Söllingen ist die Orgel für die große Kirche viel zu klein und sollte mindestens 25 statt 11 Register haben. Außerdem ist die Orgel sehr alt und unzuverlässig geworden. Die Gemeinde soll jedenfalls von jetzt an dafür Sorge tragen, dass in den nächsten Jahren eine neue Orgel angeschafft werden kann.“

1922 - Erst jetzt war der Gemeinde die Neuanschaffung einer vollpneumatischen Orgel aus der Werkstätte Voit möglich. Das Instrument kostete damals 162.200,00 Mark.

1936 - Die erst 14 Jahre alte Orgel genügte den Ansprüchen der Söllinger offensichtlich nicht. Ein bedeutender Umbau wurde geplant und von der Firma Wackler aus Steinfurt als Opus 26 ausgeführt. Dabei wurden die Voit´schen Windlader und Register weiterverwendet, der Spieltisch wurde ausgetauscht und einige Register hinzugebaut. Das Klangbild der Orgel sah danach folgendermaßen aus:

1966 - Von der Bezirksbereisung Durlach wird der aktuelle Zustand der Orgel festgehalten: „Sehr reizvoll ist eigentlich nur das Spätbarockgehäuse, indem das Werk - jetzt nicht ganz sinnvoll aufgebaut - untergebracht ist. Es handelt sich bei der Windladenkonstruktion offensichtlich um ein Werk der Fa. Voit um den Beginn dieses Jahrhunderts. Die rein pneumatische Traktur ist sehr geräuschhaft und weist schon erhebliche Lücken auf. In jedem Register zeigen sich ausfallende Tasten, was ein Zeichen dafür ist, dass die ganze Traktur im Verfall begriffen ist. Zu diesem völlig hoffnungslosen Zustand kommt eine starke Verwurmung aller Holzteile, die schon weit fortgeschritten ist, dass auch die stärkste Imprägnierung wenig Abhilfe schaffen wird, da wohl in vielen Brettern der Wind durchblasen kann.“

1969 - Aus finanziellen Gründen beschießt der Kirchengemeinderat die Anschaffung einer elektronischen Orgel, Modell C 33 der Firma Ahlborn. Die Front des historischen Orgelgehäuses wurde als Schaustück an der Wand befestigt.

1991 - Im April wurde die Firma Mühleisen in Leonberg mit dem Bau einer neuen Pfeifenorgel beauftragt.

Orgelmusik

Damals

Die Orgel – das Instrument mit dem längsten Atem der Welt – wurde bereits im 3. Jahrhundert vor Christus erfunden. Musikerinnen und Musiker aller Epochen hoben die Orgel als Königin der Instrumente auf den Thron – vielleicht auch deshalb, weil ihr ungewöhnlicher Klang die nicht fassbare Dimension des Unendlichen hörbar macht und ihr Tonvolumen das Hörspektrum des Menschen vollständig auslotet. Die ältesten Orgelprospekte Badens kann man in den evangelischen Kirchen in Uiffingen (1612) und Ehrstädt (1697) bewundern, das älteste vollständig erhaltene Werk steht in Buchenberg (1719). International viel beachtete historische Instrumente stehen beispielsweise in Hoffenheim, Neckargemünd und Mannheim. Die größte Orgel der Evangelischen Landeskirche in Baden wurde 1911 für die Mannheimer Christuskirche errichtet (92 Register), die zweitgrößte erklingt seit 2010 in der Karlsruher Christuskirche (86 Register).

Heute

Die Orgelkunst steht in der Evangelischen Landeskirche in Baden in voller Blüte.Noch nie zuvor konnten Organistinnen und Organistenauf eine größere Auswahl von Orgelmusik der verschiedensten Epochen zurückgreifen, nie war das Angebot von Orgeln der unterschiedlichstenStilrichtungen in hoher handwerklicher und künstlerischer Qualität größer. Jährlich werden allein in Baden evangelische Orgelprojekte im Wert von mehr als einer Million Euro realisiert. Diese Zahl verdeutlicht den Stellenwert, den Gemeinden einer qualitätvollen und inspirierenden Kirchenmusik einräumen. Orgelmusik gehört zur Hochzeit oder zur Beerdigung einfach dazu. Orgelmusik – richtig eingesetzt und gespielt – erweckt Bilder von Transzendenz und Ewigkeit. Orgeln benötigt man genauso wenig oder viel wie besonders ausgestaltete Kirchenräume. Das Gleichnis Jesu vom Salböl sagt jedoch, dass es für das „soli Deo gloria“ keine Verschwendung gibt – für unsere Gottesdienste kann eigentlich nur das Beste gut genug sein.

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