Die Glocken der Michaelskirche

Eichenholz statt Eisenschrott: Wohlklang am Söllinger Turmhimmel
Nach einigen Monaten Schweigen – neben den geplanten Arbeiten mussten überraschend zwei mächtige Tragebalken im Turm ausgetauscht werden – ertönen die Glocken der Söllinger Michaelskirche nun in neuem Wohlklang. Zwar sind die Glocken unverändert geblieben – zwei wurden 1949 nach dem Krieg in hartem Stahl neu gegossen –, aber ihre neue Aufhängung an Eichenholzjochen in einem Eichenholzglockenstuhl führt erfreulicherweise zu einem erstaunlich besseren Klangbild: Die Glocken läuten nun viel weicher, runder und wärmer als zuvor. Die ehemaligen, verrosteten Konstruktionen von Stahlstuhl und Stahljochen leiteten grelle Obertöne der Glocken ungefiltert weiter. Das Holz veredelt nun das Klangbild ganz erheblich. Auch die Schallläden aus Holz filtern und harmonisieren den Klang. Das langlebige Eichenholz des neuen Glockenstuhls wird viele Generationen überdauern. Wer Freude an ausgezeichneter Handwerkskunst hat, sollte sich die perfekte Verarbeitung des Glockenstuhls, der Holzjoche und der Klöppel einmal oben im Turm anschauen. Die Klöppel wurden von der weithin bekannten Schmiede Rosswag in Kleinsteinbach in hervorragender Qualität gefertigt – und der Kirchengemeinde sogar von der Eigentümerfamilie Essig gestiftet. Lediglich bei der historischen Speck-Glocke aus der Barockzeit fehlt der neue Klöppel noch. Diese Bronzeglocke von 1746 ist naturgemäß leiser als die Stahlglocken. Das zeigt sich schon beim Gewicht: Während die Stahlglocken 2.250kg bzw. 1.000kg wiegen, kommt die Bronzeglocke nur auf 530kg. Um sie zu schonen und sie nicht bei jedem Gottesdienst mitläuten zu lassen wäre es schön, bei Gelegenheit noch eine kleinere Bronzeglocke gießen zu lassen – der Platz dafür ist im neuen Glockenstuhl bereits vorhanden.

Dr. Martin Kares


Die wechselhafte Geschichte unserer Kirchenglocken
Frühe Nachrichten von den Glocken einer Kirche finden sich verhältnismäßig selten, denn sie gehörten meist zur "Erstausstattung". So ist es nicht außergewöhnlich, dass wir erst 1574 von den Glocken in unserem Kirchturm hören. In der Zeit des 30jährigen Krieges wird man möglicherweise die Kirchenglocken vom Turm herabgelassen haben, um einem Raub zuvorzukommen. 1673 sind das Kirchen- und Turmdach neu gedeckt worden "weilen es wegen der gehabten Kriegsumläufe ser übel zugericht". Im Juli 1691 hatten die französischen Truppen bei der Plünderung des Dorfes alle drei Glocken vom Turm herabgeworfen, sie zerschlagen und die Stücke fortgeschleppt. 1707 wurde die neue einzige Glocke geraubt. Erst etwa zehn Jahre später erhielt die Gemeinde eine neuen Glocke. 1725 kaufte die Gemeinde mit Unterstützung der Regierung eine weitere schwere Glocke. Vor 1756 muss aber noch eine dritte, schwerere Glocke im Turm aufgehängt worden sein, denn in diesem Jahr ist eine 1200 Pfung schwere Glocke, die gesprungen war, umgegossen worden.

Das geschah, wie seit dem Mittelalter, in der Nähe der Kirche, in einer dazu ausgehobenen Dammgrube. Die Dorfverwaltung hatte das notwendige Material zu stellen: Backsteine zur Errichtung des Schmelzofens und zur Ausmauerung des hohlen Kerns der Glocke, Kohle zum Heizen, Holz zur Herstellung der Schablone und das notwendige Talg und Wachs zur letzten Formung des Modells. An diesen Umguß erinnert die am unteren Glockenrand befindliche Inschrift der noch heute im Turm hängenden Glocke: "Auf Gnaedigsten Befehl des Durchlevchtigsten Fvrsten vnd Herrn Carl Fridrichs Margrafens zu Baden vnd Hochberg ist diese Glocke avf sellingen gegossen worden dvch Anselmvs Franciscvs Speck von Heidelberg Anno 1756.

Bis zum Ersten Weltkrieg hingen die drei Glocken. 1917 mussten zwei Glocken zur Metallgewinnung abgegeben werden. Es durfte nur eine Glocke im Turm bleiben. Wegen ihres besonderen Wertes blieb die größte von 1756 erhalten. 1922 hingen wieder drei Glocken im Turm. Der Zweite Weltkrieg holte abermals zwei Glocken aus dem Stuhl.

Zwei Jahre nach dem Kriege begannen die Verhandlungen des Pfarrers mit der Glockengießerei "Bochumer Verein". Es ging um die Herstellung von zwei Stahlglocken. Am 30.4.1949 konnten eine 2250kg schwere und eine 1038kg schwere Glocke im neuen und vergrößerten Glockenstuhl aus Stahl aufgehängt werden. Am 8.5.1949 war die feierliche Einsegnung.

Jetzt hängen wieder drei Glocken im Turm: Neben der fast 230jährigen Bronzeglocke zwei stählerne mit dem wohltönenden Dreiklang "dis, fis und gis" und den Namen "Glaube, Liebe und Hoffung".

Seit über 60 Jahren leben wir nun in Frieden. Dafür können wir unserem Gott nicht genug danken. Ausdruck dieses Dankes und Lobes ist auch das tägliche Geläut vom Turm der Michaelskirche.

Textquelle: Ortschronik von 1985, Dr. Appelius
Zusammenstellung: Roland Speer

 
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