In der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November 1517 stand Martin Luther vor der Schlosskirche in Wittenberg und schlug dort an das Portal seine 95 Thesen - so erzählt es der Volksmund. In diesen beschäftige er sich vorrangig mit dem Ablasshandel der Kirche. Diese versprach, dass durch einen gekauften Ablassbrief die Sünden des Käufers vergeben werden. Man konnte einen solchen Ablass auch für einen Verstorbenen erwerben, so dass dieser selbst lange nach seinem Tod mit der Sündenvergebung rechnen konnte. Das versprach jedenfalls die Kirche...
Martin Luther hatte viele Jahre seines Lebens damit zugebracht, Gott gnädig zu stimmen - durch seinen Lebenswandel und durch gute Werke. Irgendwann erkannte er, dass menschliches Verhalten, und sei es noch so edel und gut, Gott nicht gnädig stimmen würde. Nicht etwa, weil Gott nicht gnädig sein möchte, sondern weil Er es schon lange ist. Gott ist gnädig- und er schaut die Menschen liebevoll an. Der Tod Jesu am Kreuz, an dem der Gottessohn selbst stirbt, hat es dem Menschen abgenommen, sein Seelenheil selbst verdienen zu müssen. Der Mensch muss sich nur an Gott wenden - vertrauensvoll oder auch zweifelnd - und Gott wird für ihn da sein. Gott musste also auch nicht durch einen gekauften Ablass gnädig gestimmt werden. Der Ablasshandel blühte zu Luthers Zeiten und brachte der Kirche ordentlich Geld ein. Letztlich war es aber ein Ausnehmen der - oftmals - sehr armen Menschen. Viele verstanden nur wenig von dem, was in der Kirche gesprochen wurde, denn die Gottesdienste wurden Lateinisch gehalten. Das war für die normale Bevölkerung eine fremde Sprache. Selbst die, die des Lesens mächtig waren, konnten die Bibel nicht lesen, denn auf Deutsch gab es sie noch nicht. So waren sie also der "Verkündigung" der Priester und Mönche ausgeliefert - und die schürten durch den Ablasshandel die Angst vor dem Fegefeuer - und wer möchte nach dem Tod schon ein solches erleben?!
Diskussionsgrundlage, nicht "Spaltwerkzeug"
Der Thesenanschlag war als Diskussions-grundlage gedacht, um über die Missstände in der katholischen Kirche ins Gespräch zu kommen - und sie zu beheben. Nicht, um die Kirche zu spalten - und eine evangelische neben der katholischen zu errichten. Zu konstruktiven Gesprächen kam es nicht - dafür wurde Luther aber mit dem Bann belegt und einige Jahre später, 1521, zum Reichstag nach Worms geladen. Dort wurde er zu seinen Schriften befragt und von Kaiser Karl V. zum Widerruf aufgefordert. Doch Luther konnte seine innersten Überzeugungen und seinen Glauben an einen gnädigen Gott nicht verleugnen - und daher auch nicht widerrufen.
Der Reichstag beschloss daraufhin, Luther mit der Reichsacht zu belegen. Unter den Landesfürsten befanden sich aber Befürworter von Luthers "evangelischer" Lehre. Einer von ihnen, Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen, ließ Luther heimlich auf die Wartburg "entführen". Dort versteckt, übersetzte Luther das Neue Testament in die deutsche Sprache, um den Menschen zu ermöglichen, selber in der Bibel zu lesen, sie zu verstehen und ihren Glauben aus der Gnade Gottes zu leben.